Schülerdatei

Was ist und bringt die neue Schüler-Datenbank?

 

Der Plan

Deutsche Kultus- und BildungspolitikerInnen planen bis spätestens 2008 eine Gesetzesänderung, die die Erstellung einer bundesweiten Schülerdatei ermöglicht, in der umfangreiche, personenbezogene Informationen über jeden Schüler in Deutschland erfasst werden sollen. Dabei soll jedem Schüler eine Identifikationsnummer (Schüler-ID) zugeordnet werden, die ihn seine ganze Schulkarriere von Einschulung bis Eintritt in sein Berufsleben begleitet. Geplant sind zwei parallele Dateien; in der einen werden die gesamten persönlichen Daten gespeichert, die andere soll nur mit anonymisierten Pseudonymem gefüllt werden.
Dies alles verbirgt sich hinter dem bisher wenig kritisiertem Ausdruck „Umstellung der Schulstatistik auf Individualdaten mit bundeseinheitlichem Kerndatensatz“.

Der Inhalt

Genaue Angaben zur Schule und zum besuchten Unterricht sowie zu den zuvor besuchten Einrichtungen, zu Geschlecht, Geburtsmonat und -jahr, Ersteinschulung, Staatsangehörigkeit, nichtdeutsche Verkehrssprache, Art der Wiederholungen, Schwerpunkte der Unterrichtseinheiten (Fremdsprachen, Förderschwerpunkt, Ganztagsbetreuung, Ausbildungsberuf, Fachrichtung, Stellung im Beruf und Wohnort) und verschiedene Daten zu den Eltern, beispielsweise über deren Berufskarriere und Einkommen.

Das Ziel

Genutzt werden soll die Datei um länderübergreifend Informationen über den Schüler auszutauschen, individuelle Entwicklungsprofile zu erstellen und diese Angaben statistisch für Planungszwecke aufzubereiten, aber auch, diese im Verwaltungsvollzug zu verwenden.
Kommentar
Das Problem
Die Schülerdatei bedeutet für uns informationelle Fremdbestimmung:
Die Daten werden offiziell und zwangsweise erhoben und – ohne Mitbestimmungs-möglichkeit der Betroffenen – ausgetauscht. Dieses Konzept steht im Widerspruch zum Datenschutzgrundsatz der „informationellen Selbstbestimmung“: Jeder Mensch in unserer freiheitlichen Demokratie bestimmt grundsätzlich (laut Grundgesetz!) selbst, wer was wann bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Selbstbestimmung ist gerade in der Schulzeit, in der sich unsere Persönlichkeit noch in einem starken Entwicklungsprozess befindet, ein zentraler Aspekt von Sozialisation und Selbstfindung.
Datenschutzaspekte haben bis heute in der Planung keine nennenswerte Rolle gespielt.

Die erstellten individuellen Entwicklungsprofile sind während und nach der Schulzeit existenziell für uns bestimmend: Welche Schule darf oder muss ich besuchen? Welche Chancen erhalte ich, welche Förderungen? Welche beruflichen Möglichkeiten werden mir eröffnet oder verbaut? Werde ich abgestempelt als Versager und Problemmensch?

Die Verwendung statistischer Informationen im Bereich des Verwaltungsvollzugs ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts illegal.
Der Bildungsverwaltung ist dies egal:
Es werden Pläne entwickelt, in denen alle die Schuldaten nicht nur anonymisiert für Planungszwecke, sondern in individueller Form für den Verwaltungsvollzug zu nutzen. Es ist sogar von einem zentralen Zugriff staatlicher Stellen, welche dies im Einzelnen sein soll, wird erst im Nachinhein geklärt werden, die Rede. Zu den Zwecken der Datennutzung im Verwaltungsbereich gibt es keine Stellungnahme.
Es ist unklar, welche Stellen auf Landesebene die Daten erheben und welche Landesdaten zusammenführen und abgleichen sollen. Neben den Statistikämtern sollen auch die jeweiligen Landeskultus- bzw. -bildungsministerien auf die Daten zugreifen und diese für ihre Zwecke nutzen können.
Gegen eine bessere Datenbasis für die Bildungsplanung ist aus Datenschutzsicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Es muss aber gewährleistet werden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gewahrt bleibt. Dies ist über die vorhandenen und geplanten Regelungen bisher nicht sichergestellt.
Wenn eine Übertragung der Länderstatistiken auf Bundesebene erfolgt, müssen bundesgesetzliche Vorgaben für Datenzugriffsmöglichkeiten her! Wir fordern ein transparentes und strukturiertes Verfahren!
Gegen jegliche Massenüberwachung und individuelle Datenspeicherung!
Für die Sicherung der informationellen Selbstbestimmung!

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