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Eine Schülermeinung über die Schülerdatei
Eine Schülermeinung
Am 22. September 2007 versammelte sich in Berlin ein bunter Volkspöbel verschiedenster Spektren auf dem Pariser Platz. Ob Linksextremisten, arbeitslose Hippi-Opas oder neoliberale FDP-Kiddies reicher Eltern; sie alle haben sich versammelt um auf der Bürgerrechtsdemo „Freiheit statt Angst“ den Grabesmarsch des Deutschen Rechtsstaat zu vollziehen. Ein Widerstand aus immerhin 15.000 Menschen entstand. Anscheinend sind die erzeugten Ängste doch noch nicht in sämtlichen Bevölkerungsteilen verwurzelt. Dumm eigentlich. Wie soll man so perspektivisch präventive Erschießung durchsetzen? Oder flächendeckend Überwachungskameras installieren? Oder Terrorismus-definitionen auf Regierungskritiker ausweiten?
Die BRD, als progressiver Staat, setzt natürlich auch in Sachen Repression voll auf die „Generation Zukunft“. Die neue Lieblingsidee der Kultusministerkonferenz ist allerdings die Schülerdatenbank. Das Konzept ist simpel und gleicht dem der Vorratsdatenspeicherung: es werden Daten ohne Grund(gesetz) gesammelt. Im Fall der Schülerdatenbank handelt es sich um Daten über soziale und nationale Herkunft, über Wohn- und Schulortwechsel, die Umgangssprache in der Familie und den Bildungserfolg. Diese werde dem Schüler mit einer Identifikationsnummer zugeordnet. Dies verstößt freilich gegen das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“. Angesichts dessen, was auf sicherheitspolitischer Ebene durchgesetzt wird, ist es nur verständlich, dass dies den Herrschenden relativ wenig bedeutet. Dieses, aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde abgeleitete, Recht ist leider nicht mehr Wert als das Wahlversprechen einer Volkspartei. Dass dem Missbrauch dieser Daten, „auch ideologisch motivierter Missbrauch, Tür und Tor geöffnet ist“ „(Josef Kraus, Präsident des Lehrerverbandes) vermag ebenso Wenigen ernsthaft Sorgen zu machen.
Stellt sich nun die Frage: „Warum das ganze?“ Der Grund dafür erscheint etwas lächerlich. Dieses „nationale Bildungsregister“ sei notwendig für „die Koordinierung politischer und planerischer Maßnahmen“. Man wolle also auf diesem Wege das, zugegebenermaßen völlig marode, Schulsystem verbessern – eine noble Geste. Fragwürdig, aber nobel.
Auch die Idee in Schulen Überwachungskameras anzubringen ist nicht neu, erlebt aber in der deutschen Angststimmung ein ungeahntes Revival. Man wolle Konflikten, Straf- und Gewalttaten vorbeugen. Es sei auf die Überwachungs-Diskussion im großen Maßstab hingewiesen. Ursache-Wirkung ist hier allerdings in noch gewaltigerem Ausmaß verdreht. Es wird nicht überlegt warum Schüler gewalttätig werden, die in der Hauptschule auf die Arbeit(slosigkeit) vorbereitet
werden. Vielmehr wird unbedarft reagiert, werden die Auswüchse von Problemen bekämpft und die Schüler zum Feind erklärt. Vor allem Hauptschulen verkommen so zu besseren Strafvollzugsanstalten.
Das ganze kostet ja überdies einen Haufen Geld, der sicherlich besser in Lehrmitteln angelegt wäre. Verbunden mit einer fundamentalen Umstrukturierung und Neubewertung des Schulsystems wären bildungs- sowie sicherheitspolitische Probleme sicher lösbar. Denn eine Kamera kann mir reichlich wenig von Biochemie oder Stochastik erzählen. Nicht mal der Informatikunterricht wird einen angemessenen Nutzen aus einer derartigen Aufrüstung ziehen können.
Doch lernen wir fürs Leben und somit auch für das Leben unter Repression. Der Schüler lernt zukünftig nicht nur das Jonglieren mit Zahlen sondern auch den Zustand ständiger Überwachung und Kontrolle. Die Hemmschwelle verfassungsfeindliche Reformen hinzunehmen wird folglich rapide sinken, wenn man doch in der Schule schon so gute Erfahrungen mit Repression gemacht hat. Die Generation, die bunt gemischt gegen den Sicherheitswahn demonstriert, wird älter und es folgt die Generation einer grauen Masse, die unter Kameras aufwuchs und sich als Identifikationsnummer sieht.
Schülerdatei
Was ist und bringt die neue Schüler-Datenbank?
Der Plan
Deutsche Kultus- und BildungspolitikerInnen planen bis spätestens 2008 eine Gesetzesänderung, die die Erstellung einer bundesweiten Schülerdatei ermöglicht, in der umfangreiche, personenbezogene Informationen über jeden Schüler in Deutschland erfasst werden sollen. Dabei soll jedem Schüler eine Identifikationsnummer (Schüler-ID) zugeordnet werden, die ihn seine ganze Schulkarriere von Einschulung bis Eintritt in sein Berufsleben begleitet. Geplant sind zwei parallele Dateien; in der einen werden die gesamten persönlichen Daten gespeichert, die andere soll nur mit anonymisierten Pseudonymem gefüllt werden.
Dies alles verbirgt sich hinter dem bisher wenig kritisiertem Ausdruck „Umstellung der Schulstatistik auf Individualdaten mit bundeseinheitlichem Kerndatensatz“.
Der Inhalt
Genaue Angaben zur Schule und zum besuchten Unterricht sowie zu den zuvor besuchten Einrichtungen, zu Geschlecht, Geburtsmonat und -jahr, Ersteinschulung, Staatsangehörigkeit, nichtdeutsche Verkehrssprache, Art der Wiederholungen, Schwerpunkte der Unterrichtseinheiten (Fremdsprachen, Förderschwerpunkt, Ganztagsbetreuung, Ausbildungsberuf, Fachrichtung, Stellung im Beruf und Wohnort) und verschiedene Daten zu den Eltern, beispielsweise über deren Berufskarriere und Einkommen.
Das Ziel
Genutzt werden soll die Datei um länderübergreifend Informationen über den Schüler auszutauschen, individuelle Entwicklungsprofile zu erstellen und diese Angaben statistisch für Planungszwecke aufzubereiten, aber auch, diese im Verwaltungsvollzug zu verwenden.
Kommentar
Das Problem
Die Schülerdatei bedeutet für uns informationelle Fremdbestimmung:
Die Daten werden offiziell und zwangsweise erhoben und – ohne Mitbestimmungs-möglichkeit der Betroffenen – ausgetauscht. Dieses Konzept steht im Widerspruch zum Datenschutzgrundsatz der „informationellen Selbstbestimmung“: Jeder Mensch in unserer freiheitlichen Demokratie bestimmt grundsätzlich (laut Grundgesetz!) selbst, wer was wann bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Selbstbestimmung ist gerade in der Schulzeit, in der sich unsere Persönlichkeit noch in einem starken Entwicklungsprozess befindet, ein zentraler Aspekt von Sozialisation und Selbstfindung.
Datenschutzaspekte haben bis heute in der Planung keine nennenswerte Rolle gespielt.
Die erstellten individuellen Entwicklungsprofile sind während und nach der Schulzeit existenziell für uns bestimmend: Welche Schule darf oder muss ich besuchen? Welche Chancen erhalte ich, welche Förderungen? Welche beruflichen Möglichkeiten werden mir eröffnet oder verbaut? Werde ich abgestempelt als Versager und Problemmensch?
Die Verwendung statistischer Informationen im Bereich des Verwaltungsvollzugs ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts illegal.
Der Bildungsverwaltung ist dies egal:
Es werden Pläne entwickelt, in denen alle die Schuldaten nicht nur anonymisiert für Planungszwecke, sondern in individueller Form für den Verwaltungsvollzug zu nutzen. Es ist sogar von einem zentralen Zugriff staatlicher Stellen, welche dies im Einzelnen sein soll, wird erst im Nachinhein geklärt werden, die Rede. Zu den Zwecken der Datennutzung im Verwaltungsbereich gibt es keine Stellungnahme.
Es ist unklar, welche Stellen auf Landesebene die Daten erheben und welche Landesdaten zusammenführen und abgleichen sollen. Neben den Statistikämtern sollen auch die jeweiligen Landeskultus- bzw. -bildungsministerien auf die Daten zugreifen und diese für ihre Zwecke nutzen können.
Gegen eine bessere Datenbasis für die Bildungsplanung ist aus Datenschutzsicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Es muss aber gewährleistet werden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gewahrt bleibt. Dies ist über die vorhandenen und geplanten Regelungen bisher nicht sichergestellt.
Wenn eine Übertragung der Länderstatistiken auf Bundesebene erfolgt, müssen bundesgesetzliche Vorgaben für Datenzugriffsmöglichkeiten her! Wir fordern ein transparentes und strukturiertes Verfahren!
Gegen jegliche Massenüberwachung und individuelle Datenspeicherung!
Für die Sicherung der informationellen Selbstbestimmung!
Lehrerbildung
Vor einer Herzoperation wird kaum jemand dem Chirurgen erklären, wie er seine Schnitte zu setzen hat. Eine Schule hat aber jeder einmal durchlaufen, hier ist jeder Experte. Die pädagogischen Kernkompetenzen, und damit auch die Lehrpersonen selbst, werden permanent in Frage gestellt. Eben diese Lehrpersonen sollen aber Tag für Tag mit neuem Schwung und neuen Ideen ihre Schüler begeistern. Ein Paradoxon, das dazu führt, dass es wohl kaum ein Land gibt, in dem Zynismus und Frustration in den Schulkollegien so ausgeprägt sind, in dem das Erreichen der Pensionierungsgrenze im regulären Dienst eher Ausnahme als Normalfall ist. Die permanente Krise des Bildungssystems hat zu einer ernst zu nehmenden Krise des Selbstbewusstseins der Lehrer geführt.
Gesellschaftliche Akzeptanz
„Lehrer sind faul, haben nachmittags frei und lange Ferien.“ Soviel zum Klischee. Wer so argumentiert, müsste konsequenterweise von einer faulen, Eier legenden Wollmilchsau sprechen. Denn als Eltern erwartet man natürlich schon, dass daseigene Kind die Inhalte auf neuestem Forschungsniveau, zugleich aber gut verdaulich präsentiert bekommt, dass hohe Anforderungen gestellt werden, die Begabungen des eigenen Kindes aber selbstverständlich mit hervorragenden Noten zu würdigen sind. Schlechte Verhaltensweisen sind hart zu disziplinieren, fällt ein falsches Wort gegenüber dem eigenen Kind, wird mit dem Anwalt gedroht. Die Schizophrenie der an Lehrer gerichteten Erwartungen ist öffentlich zu thematisieren. Wir brauchen breite gesellschaftliche Akzeptanz für die Schwierigkeit der pädagogischen Aufgaben. Hierfür gilt es massiv zu werben, denn in der so von zwischenmenschlichen Befindlichkeiten abhängigen Funktion des Lehrers spielt das Selbstbewusstsein eine ganz entscheidende Rolle.
Außerdem: Bei der Schlüsselbedeutung, die den Lehr- und Erziehungspersonen für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft zukommt, müssen pädagogische Berufe für die Besten der Jahrgänge attraktiv sein. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt.
Vom Richter zum Trainer
Der Rohrstock als pädagogisches Instrument hat in Deutschland schon länger ausgedient, von ihrem Status als Autoritäten haben sich die Lehrer schleichend verabschiedet. In der pädagogischen Kernkompetenz nicht ernst genommen, in ihren Leistungen nicht gewürdigt, bei eigenen Entscheidungen mit Rechtsanwaltsdrohungen überzogen – es ist schwierig, als Autorität aufzutreten. Dahinter steht auch der Umstand, dass Erwachsene insgesamt seltener als Autoritäten anerkannt werden, dass Eltern zu Hause nicht mehr als Autoritäten auftreten, dies aber von den Lehrern verlangen.
Diese sind in der Regel von der Schule an die Universität und von dort wieder in die Schule gegangen. Woher soll da der Überblick über die immer komplexer gewordene Arbeitswelt kommen? Wie aber mit Überzeugung die Richtung vorgeben, wenn man das Ziel gar nicht kennt, kaum weiß, was die Schüler am Ende der Schule wirklich können sollten? Was tun, wenn man die Realitäten, auf die man vorbereitet, nur vom Hörensagen kennt? Unternehmenspraktika für Lehrer sind hier sicher ein geeignetes Instrument. Es muss jedoch insgesamt leichter und vor allem selbstverständlicher werden, die Schule für einige Jahre verlassen und um vielfältige Erfahrungen bereichert in die Schule zurückkehren zu können. Davon profitieren die Lehrer und die Schüler.
Die Autorität der Lehrer ist wiederherzustellen, wenn auch in stark gewandelter Form. Sie sollte sich zum einen ergeben aus einer deutlich erhöhten gesellschaftlichen Wertschätzung, einer gesteigerten Weiterbildungsintensität und einer stark verbes-serten Weiterbildungsqualität, zum anderen aus einer Neudefinition der Lehrerrolle. Die Autorität des Lehrers sollte sich nicht mehr aus seiner Sanktionsgewalt oder seinem Vorsprung an Wissen ergeben. Im differenzierenden Unterricht, der, statt Homogenität anzustreben, auf die Entwicklung der individuellen Potenziale sowohl der schwachen als auch der starken Schüler setzt, ermöglicht die Lehrperson den Zugang zu Wissen. Der Lehrer selbst hilft bei der Generierung und Strukturierung von Inhalten, liefert aber nicht mehr alle Inputs selbst. Er wird – wie insbesondere von guten Lehrern bereits vollzogen – vom Richter, der seine Schüler wie Zirkustiere abfragt und sie danach bewertet, wie viel von dem Eingetrichterten sie richtig reproduziert (und eine Woche später wieder vergessen) haben, zum Berater, zum Kompetenz- und Persönlichkeitsentwickler. Im Sinne eines Trainers hilft er den Schülern, ihre Potenziale zu erkennen und zu entwickeln. Aus den daraus resultierenden Erfolgserlebnissen und Entwicklungssprüngen, aus dem erfolgreichen Einsatz seiner pädagogischen und didaktischen Kompe-tenz, bezieht er seine Autorität.
Ein solches System funktioniert nur aus einer Haltung der ermunternden Herausforderung, denn Erfolg ohne Mühe ist wertlos. Anstrengung, Fleiß, Ausdauer und Überwindung sind die Voraussetzungen für nachhaltiges Lernen. In ihrem eigenen Selbstbewusstsein gestärkte und in ihrer Rolle gefestigte Lehrer fassen wieder Mut zur Zumutung, werden konsequent Grenzen ziehen und unerwünschten Verhaltensweisen mit klaren Reaktionen begegnen.
Auch bei hoher fachlicher und erzieherischer Kompetenz bleiben Lehr-/Lern-Prozesse Beziehungsarbeit und als solche in hohem Maße frustrationsbesetzt. Die Burnout-Gefährdung ist erheblich, Supervision sollte, wie etwa in Jugendämtern oder bei der Polizei bereits in vielen Regionen üblich, auch für Leh-rer zum Erhalt der physischen und psychischen Gesundheit, zur Berufszufriedenheit und Handlungsfähigkeit systematisch als Angebot eingeführt werden.
Einstufige Lehrerausbildung
Die geänderten Rollenanforderungen spiegeln sich im Aus- und Weiterbildungs-system für Lehrer nicht wider. Lehrer werden in Deutschland primär als Fachwissenschaftler ausgebildet. Sie brauchen lange und sind trotzdem kaum auf den Schulalltag vorbereitet. Unser System der Lehrerausbildung ist eine nicht nachvollziehbare Ressourcenverschwendung.
Nehmen wir das Beispiel eines Lehrers mit der sehr verbreiteten Kombination von Mathematik und Physik. In beiden Fächern ist weitgehend das Pensum der Diplom-Studenten zu absolvieren, zusätzlich vielleicht noch etwas Didaktik und Pädagogik, je nach Bundesland. Zumindest im Grundstudium haben wir es also fachlich gesehen mit einem Doppeldiplom zu tun. Wie viele Studenten sind so begabt, dass sie parallel zwei Diplomstudiengänge studieren? Von Lehramts-studenten wird genau das verlangt. Und zur Belohnung werden sie dann als Studenten zweiter Klasse behandelt, weil sie ja nicht so tief im Stoff stehen wie ihre Diplom-Kollegen. Dabei haben sie neben organisatorischen Problemen durch sich überlappende Veranstaltungen der verschiedenen Fachrichtungen noch eine erheblichen Mehrbelastung durch höhere Stundenzahlen und breitere Leistungs-anforderungen zu bewältigen.
Das Ergebnis eines solchen Studiums sind hervorragend ausgebildete Fachwissenschaftler, die bestenfalls am Rande etwas darüber mitgenommen haben, wie sie das nun in der Schule vermitteln sollen. Die jahrelange Arbeit auf höchstem fachlichen Niveau führt letztlich zu dem Problem, dass die Erklärung einfacher, schulrelevanter Fragestellungen von den wenigsten in verständlicher Form geleistet werden kann. Im Lehramt für die Sekundarstufe I verschärft sich die Diskrepanz von Studiumsinhalten und schulischen Lehrinhalten noch einmal erheblich.
Natürlich soll ein Lehrer in seinen Fächern strukturierter und pointierter denken als seine Schüler. Wenn er aber nicht weiß, wie er das Wissen vermitteln, wie er mit den erzieherischen Schwierigkeiten in einer Klasse umgehen soll, bringt das gesammelte Fachwissen nichts. Wer heute ein guter Pädagoge wird, wird dies allzu oft trotz und nicht wegen der Lehrerausbildung.
Lehrer werden bisher nach ihrer Abschlussnote eingestellt. Diese richtet sich in der Regel nach den Leistungen, die bei der Reproduktion und bei der Anwendung von Wissen erzielt wurden. Die besten 15% eines Jahrgangs werden auch in der Praxis hervorstechen, der Rest hat ganz erhebliche Probleme.
Auch in der Erziehungswissenschaft werden Zensuren zumeist danach vergeben, ob jemand einen Text verstehen, reproduzieren und anwenden kann. Über die pädagogische Kompetenz wird damit nichts ausgesagt. Die wird vielfach erst in der zweiten Ausbildungsphase relevant, dem Referendariat. Da ist das Studium schon abgeschlossen, eine Umorientierung fällt schwer. Einige Bundesländer haben daher begonnen, einen Teil des Referendariats in das Studium vorzuziehen, um eine frühzeitige Erprobung der pädagogischen und didaktischen Kompetenzen zu ermöglichen. Dieser Schritt ist richtig, kann aus unserer Sicht aber nur ein Anfang sein. Ziel muss eine integrierte, einstufige Lehrerausbildung – und somit die Abschaffung des Referendariats – sein. Der deutsche Sonderweg des Referendariats war insbesondere zur verwaltungsrechtlichen Legitimation einer höheren Besoldungsstufe und nicht aus Gründen inhaltlicher Relevanz eingeführt worden. Es ist an der Zeit, diesen Irrweg zu verlassen.
…
Der pädagogische und der didaktische Teil des Studiums sollten sehr praxisorientiert geführt werden, um den in verschiedenen Studien diagnostizierten eklatanten Mangel an konkretem Arbeitswissen zu beseitigen. Statt ein isoliertes Referendariat anzuschließen, ist beispielsweise während des gesamten Studiums ein Tag pro Woche in einer Schule zu verbringen, sei es für Hospitationen, didak-tische Analysen oder eigene Unterrichtseinheiten. Alternativ wäre auch nach jedem Semester ein Block in der vorlesungsfreien Zeit denkbar. Wichtig ist, dass frühzeitig praktische Lehrerfahrungen gesammelt und wirksame Rückmeldungen gegeben werden. Entscheidend ist auch, dass die praktischen Erfahrungen als Orientierungspunkt bei der Erarbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen verwendet werden. Das vermittelte Wissen ist durch die konkreten Bezüge für die Studenten relevant und kann zeitnah auch praktisch umgesetzt werden. Die in diesem Modell alltäglicher werdende Zusammenarbeit zwischen Lehramts-studenten der verschiedensten Fachrichtungen schafft eine professionelle Gemeinschaft, in der die spätere Kooperation zwischen verschiedenen Fächern in der Schule durch die Gewohnheit des konkreten persönlichen Kontakts vereinfacht wird. Kurse in Stimmbildung, Rhetorik, Kommunikation, Konflikt-bewältigung und spezifischen didaktischen Methoden runden, wie in einigen Studienreformentwürfen bereits vorgesehen, das pädagogisch-didaktische Angebot ab.
Mit dem vorgeschlagenen Modell verbessert sich die Qualität der Vorbereitung auf die Schule erheblich, ohne den Anspruch einer fundierten fachwissen-schaftlichen Ausbildung aufzugeben. Zudem kann die Ausbildungszeit erheblich reduziert werden. Bisher dauert der Weg durch die deutschen Ausbildungs-instanzen der zweistufigen Lehramtsausbildung durchschnittlich fast zehn Jahre. Ein unhaltbarer Zustand.
Zu einer auf maximal fünf Jahre verkürzten Erstausbildung gehört ein verbindliches Weiterbildungssystem, das fachliche und pädagogische Innovationen zeitnah zu den Lehrern und somit in die Schulen bringt. Wer ein Leben lang lehrt, muss – mehr als jeder andere – lebenslang lernen.
Pressemitteilung Mobbing
Mobbing als gesamtgesellschaftliches Problem
Pressemitteilung der LSV
Obwohl Mobbing an Schulen ein schon lange zu beobachtendes Phänomen ist, stellt das „Cybermobbing“ eine neue Eskalationsstufe da. Beleidigungen, Drohungen und Verleumdungen können nun über das Internet völlig anonym verbreitet werden. Dadurch wird es für die Betroffenen noch schwerer, sich dagegen zu wehren. Wir als LandesSchüler*innenVertretung von Berlin müssen aber auch feststellen, dass Mobbing seitens der Lehrer*innen im Unterricht und in den Pausen deutlich zugenommen hat.
Für die LandesSchüler*innenVertretung Berlin (LSV) ist die Frage nach den Ursachen, Umständen und Hintergründen entscheidend und nicht die Verteufelung einzelner Webseiten, die sozusagen nur Mittel zum Zweck darstellen. Deshalb ist der Ruf, u.a. des Senators Herrn Zöllner, nach dem Verbot einzelner Internetportale, die Einführung von Computerkursen und ein neue Meldeverordnung der Senatsverwaltung für Übergriffe Jugendlicher Augenwischerei, weil sie nicht die Ursachen bekämpft. Außerdem läßt sie eine wichtige Erscheinungsform des Mobbings außer Acht – das Mobbing durch Lehrer*innen; gegeneinander aber vorallem gegen Schüler*innen.
Das zunehmende Ausgrenzen, Stigmatisieren, Beleidigen, Bedrohen – und was noch alles mit dem Begriff Mobbing verklausuliert wird, betrachten wir als gesamtgesellschaftliches Problem. Wir erkennen auch, dass immer nach einem aktuellen Fall die Erregungskurve emporschnellt und hektischer Aktionismus ausbricht. Die Erregung flacht dann schnell wieder ab, wird zugedeckt von anderen Alltagsproblemen und die Ursachen, wie zum Beispiel für die Amokläufe in Erfurt oder Emsdetten, bleiben zum großen Teil unerkannt und unverändert.
Deshalb laden wir alle Schüler*innen Berlins ein, sich mit uns gegen Sexismus, Homophobie, Rassismus und alle anderen Arten der Diskriminierung und des Mobbings zu engagieren – für ein gleichberechtigtes Miteinander aller Menschen, egal welchen Alters, Geschlechts oder Aussehens!